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Resilienz Coaching Berlin – oder „Opium für’s Volk“?

Resilienz – oder „Opium für’s Volk“? Im Bereich Psychologie werden Begrifflichkeiten oder auch Diagnosen von „Otto Normalverbraucher“ häufig unterschiedlichst verstanden, definiert und manchmal stigmatisiert. Stress, Burnout oder Depressionen sind solche Begriffe, so wie auch die populäre Bezeichnung „Resilienz“, die für psychische Widerstandsfähigkeit oder innere Stärke steht. Ein recht junger Begriff, der erst in den 1950er in die Psychologie eingeführt wurde. Die Resilienzforschung ist als wissenschaftliche Disziplin seit den 1970er Jahren aktiv und findet inzwischen in einer Vielzahl von unterschiedlichen Arbeitsfeldern Anwendung, auch neben der Psychologie.

Resilienz wird heutzutage als Therapieinhalt im Rahmen von Psychoedukation für den privaten und familiären Bereich, oder in Coachingsitzungen oder Seminaren für Unternehmen und Führungskräften geschult und angeboten. Die Fragen, die sich dabei stellen, sind, wogegen oder wofür psychische Widerstandsfähigkeit nötig ist und in welchen Kontexten? Kann Widerstandsfähigkeit auch kontraindiziert oder fehlinterpretiert sein, und so zu einem Bumerang für manche Menschen werden? Ich möchte mich diesem Begriff etwas nähern und einige Zusammenhänge und Schlussfolgerungen aufzeigen:

Die Resilienzforschung ist eine junge Wissenschaft

Innere Stärke ist bei Menschen seit der Geburt und Urzeiten als Überlebensstrategie installiert, lange bevor Resilienz in aller Munde war, oder speziell trainiert wurde. Die Verfügbarkeit und der Zugriff auf psychische Widerstandsfähigkeit sind für einige Menschen in schweren Krisenzeiten und bei traumatischen Erlebnissen dennoch oft nur schwer möglich. Zudem kann das „vorinstallierte Programm psychische Widerstandsfähigkeit“  durch die Art und Weise der Sozialisierung, oder durch das Aufwachsen in einem toxischen Umfeldes massiv gestört werden.

Dann ist ein therapeutischer Impuls von außen nötig, um darauf zurückgreifen zu können. Das ist mit unterschiedlichen verhaltenstherapeutischen Ansätzen oder Coaching Formaten durchaus möglich. Hier gilt es jedoch zu bedenken, dass die Förderung nicht als Allheilmittel oder Wunderwaffe, gegen jede Art von seelischer Krise oder Missstände verstanden werden darf.

Resilienz erweitert die Handlungskomptenz und Empfindungskala

Durch Resilienz oder psychische Widerstandsfähigkeit soll die Flexibilität, Handlungskompetenz, Frustrationstoleranz, Geduld gestärkt und die Empfindungsskala emotional erweitert werden. Welche Fähigkeiten und Denkweisen sind es, die eine hohe Resilienz ausmachen und diese verstärken?

Ich habe mir in diesem Zusammenhang die Frage gestellt: Wie ist es möglich, dass einige Überlebende des Holocaust, in Interviews einen zufriedenen, sehr stabilen und sogar glücklichen Zustand zeigen? Andere hingegen reagieren auch nach über 70 Jahren bei jeder Erinnerung daran, mit Retraumatisierungszeichen, tiefer Trauer und Melancholie. Die Genetik macht den Unterschied, werden jetzt viele sagen. Natürlich kann das ein Grund sein, allerdings nur einer, neben anderen wesentlichen. Hier Auszüge eines Interviews mit Elieser Ayalon, Holocaustüberlebender:

„Drei Generationen, die aus der Asche des Holocaust geboren wurden und aufgewachsen sind. Heute bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Mein Leben, meine Kinder und Enkel, ich könnte nirgendwo glücklicher sein. Ich sage den Leuten immer: Die Tatsache, dass ich als anständiger Mensch und gläubiger Jude überlebt habe, der lachen und lieben und die Welt von der heiteren Seite aus betrachten kann, das ist nichts Geringeres als herrlich.“

Holocaust überlebender: „Heute bin ich der glücklichste Mensch“

Nun las ich kürzlich bei meiner Recherche zur Thematik Resilienz folgendes hochinteressante: der Niederländer Dr. Maurice Vanderpol (Psychiater & Psychoanalytiker) und Holocaust überlebender, der 2014 im Alter von 92 Jahren verstarb, war eine herausragende Persönlichkeit in der Resilienzforschung. Dieser forschte jahrzehntelang exakt in angesprochener Causa und Personenkreis. Er fand heraus, dass einige der KZ Überlebenden einen „inneren Überlebensmechanismus“ einsetzen konnten, den er „Plastik Schutzschild“ nannte. Ein Schild gegen akute Bedrohung und auch ein hilfreiches Werkzeug in der Nachverarbeitung von traumatischen Erlebnissen. Hier die Aussagen, durch welche Fähigkeiten Resilienz sich aus seiner Sicht aufbauen und gekennzeichnet sind:

1.Die Fähigkeit, trotz dunkelster Episoden und Leidenswege, das Leben humorig betrachten zu können. Ein ausgeprägter Sinn für Humor, der durchaus oft sehr schwarz sein kann, wirkt sich ausgesprochen gesundheitsfördernd auf den Gemütszustand und die Gesamtverfassung aus!

2. Die Fähigkeit, empathische Verbindungen mit anderen Menschen einzugehen. Hilfe annehmen können, was auch das aktive Bitten um Hilfe mit einschließt. Menschen mit hoher Resilienz zeichnen sich keineswegs durch Einzelgängertum und harte Zähigkeit aus.

3. Die Fähigkeit einen „persönlichen inneren Raum“ herstellen zu können als Schutz vor Anderen.

Diese Fähigkeiten resilienter Menschen werden durch die genetische Prädisposition natürlich verstärkt, oder geschwächt bei weniger resilienten Menschen.  Resilienz könne aber, wie erwähnt, von allen Menschen erlernt werden. Das zeigt auch eine Harvard-Studie, mit dem Schwerpunkt Resilienz, die seit über 70 Jahren das Leben von über 280 Personen untersucht. Mitwirkend ist der Psychiater George Vaillant, der 2010 der ZEIT ein Interview zu dieser Studie gab.

Empathische Bindungen verstärken Resilienz

In der Kernaussage stellte er übereinstimmend mit Vanderpol fest: Die empathische Bindung zu den Menschen insgesamt ist der wohl wichtigste Faktor für Resilienz. Auch dass resiliente Menschen zeigen, dass die Erlebnisse der Kindheit, selbst wenn sie schwierig waren, mit der Zeit nicht mehr so wichtig für ein erfolgreiches und glückliches Leben sind, ist bemerkenswert.

Einen etwas anderen Ansatz, Resilienz zu erzeugen, verfolgte Victor Frankl mit der „Logotherapie“ und „Existenzanalyse“. Frankl ein jüdischer Arzt, der als einzig Überlebender seiner gesamten Familie, mehrere Jahre in verschieden Konzentrationslagern verbrachte und von US-Truppen befreit wurde. Dieser arbeitete nach dem Krieg in Wien in einer neurologischen Klinik mit psychisch erkrankten Menschen.

„Logotherapie“ und „Existenzanalyse“ waren von ihm entwickelte Therapieformen die ua. mit Fragetechniken dem Patienten die „Sinnfindung“ erleichtert. Die jüngste Forschung hat längst bestätigt, wie wichtig und wertvoll die Beantwortung der „Sinnfrage“  für die Heilung von Traumata und der Bildung einer erstarkten Resilienz ist. Eine dieser Fragen lautet: Wo liegt der Sinn, in dem was ich erlebt habe und wie kann ich das für etwas Gutes zukünftig nutzen?

„Selbst Resilienz Coaching“ mit Achtsamkeit, Einstellung und Denkweise

Diese Erkenntnisse lassen jedenfalls aufhorchen. Denn es bedeutet, dass man zu einem großen Teil selbstverantwortlich seine eigene psychische Widerstandsfähigkeit mit der richtigen Einstellung und Denkweise aufbauen und stärken kann. Analyse, Achtsamkeit und Bewusstmachung sind sicher erste Katalysatoren bei einem Resilienz Coaching um genannte Fähigkeiten zu erlernen und dauerhaft verfügbar zu machen. Resilienztraining ist Veränderungsarbeit, die durch einen erarbeiteten neuen Bewertungsrahmen ein neues Empfinden erzeugt. Dadurch entsteht Distanz und ein anderer Blickwinkel zu belastenden Themen.

Ein radikaler Songtext aus den 70er Jahren drückt Veränderungsarbeit, drastisch aus, den man auch als Aufruf zur Resilienzstärkung verstehen kann.: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Vom politischen Diskurs mal abgesehen, ich glaube nicht, dass man sich erst dann besser fühlt, wenn man etwas kaputt gemacht hat. Jedoch könnten wir das auch als einen persönlichen Appell an uns selbst verstehen. In der Gestalt, dass wir den Gedanken „eliminieren“ können, nicht über uns selbst und unserer emotionalen Verfassung verfügen zu können und die Verantwortung externalisieren.

Dank vieler wesentlicher Voraussetzungen darf ein jeder in unserer Gesellschaft völlig frei über seinen Körper und seinen Geist selbstbestimmt entscheiden. Wir sind da völlig frei, oder? Für diese Erkenntnis braucht es zunächst noch kein Resilienz Coaching.

Demnach haben wir also auch die Macht, Gedanken, Umstände oder Verhaltensweisen zu unterlassen, die unser Gleichgewicht stören. Oder wir können auch etwas Neues in unsere Einstellung integrieren, um die seelische Balance wieder herzustellen. Ob allerdings eine permanente Steigerung der Widerstandsfähigkeit gegen berufliche oder private Missstände, die durchaus veränderbar wären, ein sinnvoller Weg ist, bleibt sehr zu bezweifeln.

Zumindest immer dann nicht, wenn Gesundheit und Lebensqualität in der Spätfolge darunter leiden. Aber auch das unterliegt der Freiheit in der Wahrnehmung des Einzelnen. Im übrigen ist es häufig leichter so manches nicht mehr zu tun, als die Last etwas unbedingt loslassen zu müssen. Da verhält es sich mit seelischen Wunden wie mit einer Wunde am Bein. Wie sollte man diese loslassen? Man darf sie allerdings gut versorgen und behandeln.

Ändern was zu ändern ist, Verhaltensweisen unterlassen, oder lernen zu akzeptieren was unveränderbar ist

Ich bin überzeugt, fern von Gegenbeispielsortiererei, wenn „es“ sich weder ändern noch lieben lässt, hilft sehr oft nur es nicht mehr zu tun. Etwas zu unterlassen ist deutlich hilfreicher, als ständig etwas gegen eine Missempfindung tun zu wollen, oder sogar tun zu müssen! Mit Methoden lernen, unzumutbaren Zuständen gegenüber widerstandsfähiger zu werden, die durchaus transformierbar sind, ist falsch. Es ist etwas anderes als Akzeptanz gegenüber Dingen zu entwickeln, die unveränderbar sind.

Wer beispielsweise bei massiven Burnout-Zuständen oder Mobbing NUR an innere „Widerstandskommunikation“ oder Yoga als Lösungsmittel und Kompensation denkt, denkt auch, dass Streuselkuchen mit Ingwer gegen Raucherhusten hilft. Das Rauchen  unterlassen ist hier wohl die einzig sinnvolle Maßnahme.

Entzug von der Beeinträchtigung ist manchmal der einzige Weg! Wenn ich schlechte Nachrichten, Mario Barth oder Leberwurst nicht leiden kann, weil sie meinen Geist und Gedärm vergiften, konsumiere ich die einfach nicht. Ist das so einfach? Ja! Was soll sonst ein wie auch immer gearteter Widerstand für einen Sinn haben?

Resilienz Berlin – oder „Der Mythos vom Widerstandskämpfer“

Nicht alle durchbrechen die Mauer aus gedanklichen Gewohnheiten, leiden aber ganz offensichtlich darunter. Warum? Weil Veränderungen des Öfteren wehtun, übrigens das einzige deutliche Merkmal wirksamer Veränderungen. Und was, wenn Widerstand gegen die Veränderung selbst im Ergebnis viel schwerere Wunden hinterlässt….?

„Durchhalteparolen“ zu verinnerlichen, zu lernen, wie man in einem Schützengraben unter dauerhaften Beschuss um jeden Preis standhält, heißt den Kriegszustand zu akzeptieren. Es wäre eine Zumutung für die Gesundheit, vor allem wenn Friedensverhandlungen möglich sind.

Besser als Widerstand gegen alles, ist,  Menschen zu stärken und zu befähigen, den Mund gegen „Missstände“, auch in sich selbst aufzumachen, um zu handeln und damit das Selbstwertgefühl zu steigern. Man muss den Begriff Resilienz im Zusammenhang mit einem Coachingprozess klar definieren. Was ist die Intention?

Coaching für mehr Akzeptanz um Trauer, Verlust, Krankheit, Trennung besser bewältigen zu können ist sehr sinnvoll. Hingegen eine unkaputtbare „Nehmerqualität“ zu erreichen, die auch beim Boxsport keine reale Qualität darstellt, führt zu tauber und blinder Unsensibilität, auch in der mitfühlenden Verbindung zu anderen Menschen. Es  käme einer emotionalen Gleichgültigkeit und „Schmerzfreiheit“ gleich und kann nicht Ziel eines Resilienz Coachings sein.

Beim Mobbing im Zusammenhang mit Resilienz ist entscheidend in welcher Phase, nämlich direkt im Mobbingprozess oder in der Nachverarbeitungsphase von psychischer Widerstandsfähigkeit gesprochen wird. Ignoranz gegenüber Psychoterror, aggressiven Verbalattacken, übler Nachrede, offenem Verrat und denunzierendem Verhalten zu lernen, „es“ über sich ergehen lassen, ist bei Mobbing keine Option. Veränderung heißt hier in erster Linie raus aus der Opferhaltung!

Resilienz Berlin – Handeln besser als aushalten!

Wenn „Resilienz“ als das neue „Opium fürs Volk“ einschläfernd eingesetzt wird, packt es das Übel jedenfalls nicht an der Wurzel und kann böse Stressschäden zur Folge haben. Auch wenn Resilienz unter einem humanitären Deckmantel geschult wird, um letztlich noch mehr Leistung aus den Mitarbeitern einer Firma zu pressen, ist das übergriffiger Missbrauch. Dazu passt folgendes Zitat von Freigericht Ansgar Simon:  „Ein zu schwerer Wagen kommt irgendwann zum Stehen, egal wie viele Ochsen man davor spannt.“ seelenboxer🥊🙏❤️