Friedliches Boxen ist besser als blinde Wut? „Es müssen die Fledermäuse in die Trompeten blasen, die Schlangen kreischen und die Alligatoren sich verschlucken, dass ist dann Boxen“ meinte der deutsche Boxphilosoph Wolf Wondratscheck. „Boxen ist eine rohe, brutale und arschaische Unschönheit, die heutzutage kruden Schlägern zum Abreagieren und der Unterschicht als „Brot und Spiele“ Unterhaltung dient“. So las ich es vor vielen Jahren im Feuilleton einer großen deutschen Zeitung.
Zu dem Zeitpunkt war der imageverbessernde Gegenentwurf, in Gestalt des Gentlemanboxer Henry Maske, bereits aus dem aufpolierten Ringquadrat gestiegen. Nun ist seit vielen Jahren die alte Patina mit Schmuddelflecken an der Fassade wieder zurückgekehrt und die großen Schlachten von den ganz großen Hallen in die kleineren Tanzsäle der Provinz verlegt. Fern von metaphorischen oder anders gearteten theatralischen Umschreibungen des Boxens, gibt es jedoch noch viel mehr zu sagen als es das „Ballyhoo“ und Schubladendenken oft vermittelt. Jedenfalls wer mit Hand- und Fußarbeit so seine Schwierigkeiten hat, die Ehrlichkeit darin nicht entdecken kann, der verlegt sich auf mundgeblasene und Substanz entbehrende Definitionen.
Die Dramen, die mit Blut, Schweiß und Tränen durchtränkten T-Shirts, die Nasenbeinbrüche, Gehirnerschütterungen und Kieferfrakturen bleiben dem Zaungast und Boxskeptiker allerdings erhalten, um sich labend daran abzuarbeiten. Die ehrlichste Instanz des Boxens, Deutschlands jüngster Boxweltmeister Graciano „Rocky“ Rocchigiani R.I.P. Champ, kann nun leider auch nicht mehr sein Hartholz dagegen anraspeln.
„Boxen ist einfach. Das Leben ist viel härter.“ Floyd Mayweather
Je nachdem welche Betrachtungsweisen und Wahrnehmungen fern vom Ring für das Boxen herangezogen werden, der pure Sport ohne Inszenierungen ist für viele „Freizeitboxer“ geblieben. Das „White Collar Boxing“ Turnier ist ein Beispiel dafür. Entwickelt wurde es in New York Anfang der 90er Jahre und ist eine Form des Wettkampfes für Späteinsteiger (ü30) ohne Vorkenntnisse, für den Männer und Frauen aus allen Berufszweigen trainieren.
Die Beliebtheit abseits der Profiboxringe ist eher gestiegen! Wer dagegen noch nie Boxhandschuhe anzog, um schlagend den Geist zu reinigen, sich nie dem Drill dieses Trainings unterwarf, dessen Wert nur durch ständige Wiederholung am Leben erhalten wird, kann kein objektives Bild haben. Sei’s drum! Es ist die Ehrlichkeit in der Seele dieses Sportes welche fasziniert. Wenn sich Drehbuchautoren, Produzenten, Musiker und Schauspieler, Wissenschaftler, und Jura-Professoren, also Menschen mit Horizont, sozialer Kompetenz und einer Menge an humanitärem Kapital dieser Sportart verschrieben haben, muss mehr dran sein als tumbes Prügeln.
Boxen ist ein Virus, das Herz und Kopf zusammen bringen kann. Und der Kopf, dort wo die mentale Schaltzentrale sitzt, muss stark sein. Ist er es nicht, wird er es spätestens dann, wenn Wut oder Angst den Geist verwirrt, dadurch die Fehlerkette länger wird und Knockouts zu verarbeiten sind. Ein Lerneffekt ganz wie im Leben. In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz, sagte einst der Dalai Lama. Der ist nicht gerade als Boxexperte bekannt, so ist allerdings die klischeehaft anmutende Parallele vom Boxen und Leben unverkennbar. Im Ring, wie im Leben, geht und ging es für so manchen darum, über die Runden zu kommen und manchmal auch ums Überleben. Wut ist dabei nicht hilfreich.
Dein Körper erreicht das, was Du in Deinem Kopf denkst!
Die mental schulende Komponente beim Boxsport ist ein Füllhorn, gefüllt mit Respekt und Achtung vor anderen, Willen, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz und dem Glauben an sich selbst. Durch die Stresskompensation nach einem intensiven Boxtraining wird ein Boxer eher friedlich, weil negative Energien abgebaut werden. Ein Aspekt der heutzutage immer wichtiger wird. Auch als therapeutisches Mittel eingesetzt, ist Boxen ein hervorragendes Werkzeug um zu lernen Wut und Aggressionen und „depressive Verstimmungen“ unter Kontrolle zu halten.
Im Übrigen: Der Geduldsfaden beim Boxtraining muss sehr lang und dick sein! Alles Eigenschaften, Tugenden und Fähigkeiten, die im Leben einen hohen Wert darstellen und den Charakter schulen. Der Geist muss lernen, mit unschönen Gefühlen umzugehen, wenn Schläge verdaut und folgend vermieden werden sollen, um dann auch offensiv taktisch klug agieren zu können. Überhaupt ist es wichtig zu wissen, dass der Erfolg beim Boxen eher darin liegt, Schläge zu vermeiden, als unbedingt blind und kopflos austeilen zu wollen.
Die sportlich physische Seite ist nicht weniger interessant und fordernd und ein weiterer zentraler Gesichtspunkt diesen Sport in der Freizeit auszuüben. Ein explosiver Schlag kommt aus dem Fuß, der dann hart ins Ziel gebracht wird, wenn Hände und Füße synchron in die Schlagrichtung arbeiten. Hier liegt die Schwierigkeit, denn alle 4 Gliedmaßen haben zur selben Zeit unterschiedliche Aufgaben zu verrichten. Dazu kommt die Distanzarbeit, die wiederum Voraussetzung für das richtige Timing eines bestimmten Schlages notwendig ist. Davon gibt es 6 Grundschläge mit ihren unzähligen Abwandlungen aus unterschiedlichen Winkeln und Bewegungen geschlagen. Geübt werden Schläge vor dem Spiegel, um die Haltung zu überprüfen, beim Schattenboxen mit imaginärem Gegner, bei der Pratzen- und Gerätearbeit und im Sparring.
„Ich bin so schnell, dass ich, als ich gestern Nacht im Hotelzimmer den Lichtschalter umlegte, im Bett lag bevor das Licht aus ging.“ Muhammad Ali
Umso mehr Kombinationsvarianten von Schlägen beim Boxer antrainiert und verfügbar sind, desto größer ist sein Schlagrepertoire. Die sogenannte Führungshand, zumeist die vorgelagerte Linke, ist für den Kampfaufbau und taktische Gestaltung ein wesentliches Instrument. Eine gute, das heißt variable Führungshand, misst die Distanz, fintiert und stört den Gegner beim Aufbau. Oft ist diese Eröffnung einer Kombination unterschiedlicher Schläge, in deren Verlauf eine schwere Schlaghand (die hintere) ins Ziel gebracht werden soll. Vorrangige Ziele sind die sogenannten KO Punkte des Körpers, Kinn, Schläfe, Solar Plexus, Leber und Milz. Schläge an diese Körperpartien hinterlassen die größte Wirkung beim Gegner, häufig bis hin zum Knockout.
Bei allen Offensivaktionen, sind zur gleichen Zeit die eigene Deckung und Meidbewegungen, sowie eine sinnvolle Raumaufteilung im Ring unverzichtbar. Ein Boxer darf zu keiner Sekunde im Kampf ein festes Ziel bieten und muss, wenn er schwer zu treffen sein will, ständig seinen Standort ändern. All das geht nur mit einer guten Beinarbeit, über die allein ein ganzes Buch zu füllen wäre. Diese kann nur mit einer enormen kardiovaskulären Ausdauer über den gesamtem Kampfverlauf durchgehalten werden, um mit hoher „Workrate“ den Gegner stets beschäftigen zu können.
Wie erwähnt, hat ein harter, explosiv kräftiger Schlag weder im Arm noch in der Schulter seinen Ursprung, sondern im Fuß! Der hintere Fuß drückt, ähnlich wie beim Sprung einer Katze, in die Schlagrichtung, während der vordere Fuß oft dazu dient zurückzuweichen. Sich ständig tänzelnd, federnd und schreitend über den Vorfuß zu bewegen, um bereit für den „Absprung“ zu sein, erfordert eine Menge an Fußfitness.
Seilspringen ist ein unverzichtbares Trainingselement dafür. Die erforderliche Gesamtathletik des Körpers beim Boxen ist immens und umfassend, welche mit einem spezifischen Kraftausdauertraining erreicht wird. Der so wichtige Körperkern mit der gesamten Bauchmuskulatur muss immer wieder Ziel eines Grundlagentrainings sein, weil ein als ein Gegenlager bei schwungvollen Bewegungen dient. Und hier sei tatsächlich nur das Wesentliche über das Boxen als Sport gesagt.
Eine Veränderung Deiner Gewohnheiten beginnt mit einer Veränderung in Deinem Herzen
Keine Sportart in Bezug auf das Training bringt so viel unterschiedliche Inhalte mit sich wie der Box- und Kampfsport. Es ist ähnlich dem erlernen eines Musikinstrumentes. Und wer stets neue Dinge erlernt, der schafft in der Schaltzentrale Gehirn neue neuronale Verbindungen und Kapazitäten. Alles sehr gute Gründe, mit dem Training anzufangen. Und: Willst Du es nochmal wissen, Champ? seelenboxer🥊🙏❤️